Haltung und Zucht der Australischen Wollschildlaus
Artikel vom 28.3.2012
Der Insektenfreund hat es nicht leicht, sind seine Lieblinge doch meist zu schnell, zu scheu oder zu klein um sie genauer zu beobachten. Gelegentlich meint es das Schicksal aber mal gut und er bekommt ein paar exotische Prachtexemplare frei Haus geliefert und mit schmucker Futterpflanze dazu.Das Mandarinenbäumchen verbachte den ganzen Winter hinterm Kellerfenster und durfte endlich sein sonniges Quartier auf der Terasse beziehen. Die kleinen Zweiglein bogen sich unter der Last der vielen Früchte. Doch nicht nur sie machten der Pflanze das Leben schwer ...
Auf den Zweigen und Ästen, sogar eingequetscht zwischen Mandarinen, befanden sich viele kleine, braune Schildchen, aus denen strahlend weiße, bis zu zwei Zentimeter lange Würste hervorzuquellen schienen.
Ein paar Tropfen abgekratzt und in den Mund damit. Süß mit einem Hauch Zitrus. Hmm ...
Schmeckt gar nicht übel, das sagenhafte Himmelbrot der frühen Wüstenwanderer. Manna mag man eben. Besser als die meisten Powergels und Energieriegel beim Wüstentrekking von heute. Es war aber nicht das Manna der Israeliten das ich gerade verkostet habe, sondern das der Aborigines.
Erzeugt wurde meine Leckerei, der Honigtau, von der Australischen Wollschildlaus (Icerya purchasi) - so heißen die kleinen braunen Schildchen mit den weißen Würsten dran. Wie der Name schon andeutet, stammt diese Art urspünglich aus Australien, doch sie hat sich unter menschlicher Mithilfe zusammen mit ihren Futterpflanzen rasant globalisiert.
Diese Schildläuse gelten als verheerende Schädlinge überall dort wo es Zitruspflanzen gibt. Außerhalb Australiens haben sie keine natürlichen Feinde. Daher hat man bereits im Jahr 1888 australische Marienkäferarten in Kalifonien zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingeführt. Heute gibt es die Schildlaus aber immer noch. Weltweit.
Haltung und Zucht der Australischen Wollschildlaus ist entsprechend einfach. Zuerst besorge man sich ein paar Zitruspfanzen und achte beim Kauf darauf, dass sie sich etwas klebrig angreifen, glänzende Stellen haben oder gar schon kleine braune Schuppen oder Schildchen aufweisen. Die Pflanzen gut versorgen, nicht mit Insektenmittel behandeln, nicht die Zweige abwischen. Abwarten. Mit etwas Glück können schon nach wenigen Monaten solche Prachtexemplare bewundern werden wie auf den hier gezeigten Fotos. Gelegentlich ein neues Zitruspflänzchen beigestellt, das hält Ihre Wollschildlaus bei Laune und sie weiß dann schon, was zu tun ist.
Der Honigtau ist ein Ausscheidungsprodukt vieler Planzensaftsauger. Wenn so ein Tierchen auf der Pflanze ihrer Wahl ankommt, sucht es eine geeignete Stelle, bohrt seine Mundwerkzeuge in ein Gefäß der Pflanze und saugt den süßen Pflanzensaft (Phloemsaft). "Saugen" ist eigentlich das falsche Wort. Der Pflanzensaft steht nämlich unter Druck und wird regelrecht ins Tier hineingepumpt. Was zuviel ist, kommt am anderen Ende wieder raus - als Honigtau. Sehr zur Freude der Ameisen und anderer Schleckermäuler.
Wozu ist aber die weiße Wurst? Die Australische Wollschildlaus selbst befindet sich unter dem braunen Schild, oder besser: sie ist der Schild mit ein bisschen Beinen unten dran. Das weiße Zeugs geben die Weibchen ab, es besteht aus fädigem Wachsmaterial und umgibt hunderte orangerote Eier.
Übrigens, für alle, die die Nase gerümpft haben, als ich vom Honigtau probierte: Schon mal Waldhonig gegessen? Waldhonig ist nichts anderes als von Blatt- und Schildläusen gekackter Hongitau, der von Bienen verschluckt, wieder hochgekotzt und ewig durchgekaut worden ist. Also denkt beim nächsten Frühstück dran, dass ihr diese Köstlichkeit nicht nur den emsigen Bienchen verdankt, sondern auch den fleißig verdauenden Pflanzenläusen.